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Trödelmarkt

 

Marlene hasste Trödelmärkte. Sie mochte den Muff nicht, der in den meisten Gegenständen steckte. Den Geruch von Altem, Vergangenem, Verwestem, den ihr Gehirn ihr zumindest vorgaukelte. Das Chaos auf den Ausstellungstischen tat sein Übriges.

 

Lustlos ließ sie sich durch Joe von Stand zu Stand ziehen. Er liebte die Vielfalt des Angebots, das Feilschen und das Gefühl, einen besonders guten Preis heraus zu handeln. Marlene hatte sich mal wieder von seiner Umgarnungsredekunst ködern lassen, was sie im Nachhinein ärgerte. Schließlich wussten sie beide, dass ein Trödelmarktsbesuch für Marlene nicht einfach war.

 

Sie blieben vor einem Stand mit altem Porzellan und modrig riechenden Kleidungsstücken stehen. Ein schlank geschnittenes Kleid zog Joe magisch an. Marlene, nur auf den üblen Geruch fixiert, stöhnte auf: „Lass uns weitergehen!“ Doch es war zu spät. Der muffige Geruch fing an, sich wie Spinnenfäden durch die Nase in ihren Körper zu ziehen. Die Fäden drangen in sie ein, verklebten sich ineinander. Ihr Inneres zog sich schmerzhaft zusammen. „Schau dir dieses kleine Schwarze an“, flüsterte Joe ihr ins Ohr, „die Spitze, wie ein filigranes Spinnennetz, so zart wie du.“ Seine letzten Worte drangen nicht mehr zu Marlene durch. Sie stand neben ihm, erstarrt,  in sich gefangen, weit weg von jeglicher Realität, in ihrer eigenen Welt, zu der es kein Durchkommen gab.

 

Erst der Geruch von waldigem Kiefernduft vermochte Marlene zurück ins Hier und Jetzt zu bringen. Sie saßen auf einer Parkbank. Joe hielt Marlene das Fläschchen mit dem Kiefernöl  vor die Nase, umarmte sie und sagte kleinlaut: „Es tut mir leid mein Schatz. Ich habe nur an mich gedacht.“ Marlene versuchte ein Lächeln: „Ich wünschte, es wäre anders.“

 

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